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  • AutorenbildKarl-Heinz Henrich

Federico A. Scorticati

Aktualisiert: 7. Aug. 2022

Ein großer Bandoneonist aus Uruguay


Federico A. Scorticati | 06.11.1912 – 02.07.1998


Federico A. Scorticati war einer der vielen Bandoneonisten, der mir bei den Vorbereitungen für unsere nächste Milonga auffiel. Beim erstellen einer Tanda mit dem Orchester Adolfo Carabelli wird das 1. Lied "Alma" sein.

Er komponierte 1932 dieses Stück und der Text stammt von Juan Sarcione. Im folgenden Jahr ist es im ersten Tonfilm Argentiniens zu hören. Tito Gómez singt es in einer Filmszene und wird dabei am Klavier von Luis Visca begleitet. Bereits 1932 wird das Stück von Adolfo Carabelli, dem damaligen Leiter des Orchesters Tipica Victor aufgenommen.

Ein weiterer Tango der aus seiner Feder stammt ist "Tango milonguero", dieser wurde 1940 vom Orquesta Típica Víctor aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war er selbst der Leiter des Orchesters. Ein vergleichsweise vertracktes Stück mit tollen überraschenden Effekten und mit einer ungewöhnlichen harmonischen Bearbeitung. Ein Stück, das den Tänzerinnen und Tänzern Spaß machen kann.


Der aus Uruguay stammende Federico Agustín Scorticati wurde in Montevideo geboren. Sein Vater spielte Bandoneón ohne musikalische Kenntnisse, er hatte es nach einem für das Bandoneón typischen Griffsystem ("nach Zahlen") gelernt. Als Kind kam Federico Scorticati mit seiner Familie in den Großraum Buenos Aires, wo er mit 8 Jahren sein erstes Bandoneón bekam. Er begann bei einem Lehrer namens Pepino in Villa Domínico (im Stadtteil Avellaneda), wo die Familie damals lebte, mit den ersten Schritten auf dem Instrument. Später lernte er bei dem damals bekannten Bandoneonisten Arturo Bernstein (Spitznamen „der Deutsche“).

Das Instrument, was er mit 8 Jahren bekam, behielt er sein Leben lang.


Im Jahr 1923 debütierte er mit nicht einmal 12 Jahren! Sein Vater hatte ihn bei dem Radiosender LOY (später Belgrano) vorgestellt, wo er in kurzen Hosen ein paar Stücke solo auf dem Bandoneón spielte. Hier traf er auf die Musiker Armando Baliotti am Klavier (1907 geboren) und den Geiger Fausto Frontera (geboren 1898), mit denen er ein Trio formierte. In diesem Sender traten damals auch Gesangssolisten gratis auf, um sich bekannt zu machen. Solch bekannte Namen wie Mercedes Simone, Azucena Maizani oder Charlo mussten sich damals auch noch mit kleinen „Gagen“ in Form von Drinks oder Kantinenessen zufrieden geben, und das junge Trio, das stets verfügbar war, hatte alle diese Sängerinnen und Sänger zu begleiten.


Wie man nachlesen kann, hat Federico Scorticati schon im Jahr 1924 im Orchester von Roberto Firpo gespielt. 1925 ist er Mitglied und mit seinen 13 Jahren sogar erster Bandoneonist in der Sextett-Formation des berühmten Geigers Cayetano Puglisi. 1929 kommt er dann zu Francisco Canaro, denn der Tonfilm sorgte für eine Krise unter den Musikern, die ihre Aufträge in den Kinos verlieren. Dies geschieht auch Roberto Firpo, dessen Musiker beinahe geschlossen zu Francisco Canaro in dessen Orchester wechseln.


Zu Francisco Canaro geht Scorticati ins Orchester, obwohl er eigentlich die innovativen Orchester von Julio De Caro und von Osvaldo Fresedo bewundert. So nimmt er aber teil an der Aufnahme, in der das Orchester von Francisco Canaro („Pirincho“) Carlos Gardel begleitet in der Orchesterversion von „Madreselva“. Neben der Verpflichtung bei Canaro spielt Federico Scorticati auch für die Plattenfirma Víctor in sämtlichen Studioformationen.Im OTV, bei Adolfo Carabelli, Puglisi, Petrucelli, Ciriaco Ortiz und seinen „Provincianos“. Scorticati ergänzt selbst noch, dass er, auch nebenbei, zudem noch Aufnahmen bei Odeón im Orchester von Juan Maglio („Pacho“) machte.


Noch 1928/1929 hat Federico Scorticati zur Begleitung von Tangosängern und Tangosängerinnen ein kammermusikalisches Trio formiert, bei dem Osvaldo Pugliese Klavier spielt und Juan José Gallástegui die Violine. Sie begleiten Adhelma Falcón (Mariana Elvira Falcone) und Charlo (Carlos José Pérez) bei Auftritten im Radio.

In der Folgezeit ab 1929 gibt es immer wieder Aufträge zur Besetzung eigener kleiner Ensembles für Radioauftritte. Radio Belgrano und Radio Rivadavia waren die Auftraggeber, und Federico Scorticati kommt zusammen mit Pianisten wie Héctor Stamponi oder Jaime Gosis dazu, Sängerinnen wie Lita Morales oder Mecha Bazán zu begleiten. Als das Angebot für eine Brasilien-Tournee von Canaro kommt, sagte er sofort zu und lässt alle anderen Projekte dafür fallen.


Mit dem Pianisten Armando Baliotti kommt er im Jahr 1934 wieder zusammen und spielt in dessen neu gegründeten Orchesterprojekt Baliotti-Ginzo. Solch geballte Erfahrungen in jungen Jahren haben ihn dazu befähigt und ermutigt, ab 1932 eigene Orchester auf die Beine zu stellen.

Von der Casa Víctor (RCA Víctor) wird Federico Scorticati 1935 zum Leiter des hauseigenen Studioorchesters berufen. Er wird bis 1943 der künstlerische Leiter, Arrangeur und Dirigent des exzellent besetzten Hausorchesters „Orquesta Típica Víctor“ (OTV) sein, das viele Gesangssolisten präsentiert hat und selbst viele instrumentale Aufnahmen gemacht hat.


Eine weitere wichtige Etappe im Leben des Federico Scorticati sollte seine langjährige Zugehörigkeit zu Carlos Di Sarli ab 1943/44 sein. Zuerst nur für ein paar Monate gedacht, spielte er am Ende viele Jahre lang in diesem Orchester. Die Pause dieses Orchesters 1949 überbrückte er bei Francisco Lomuto und ging nach dem Neubeginn von Carlos Di Sarli, Anfang der 50er Jahre wieder in dieses Orchester. Beinahe sämtliche Musiker verließen Mitte der 50er Jahre Carlos Di Sarli geschlossen, um selbst eine eigene Formation zu gründen: „Los Señores del Tango“. Dieses Orchester war jedoch nur kurzlebig und löste sich bald wieder auf.


Von seinem Musikerberuf konnte er besonders in den Jahren der 30er und 40er gut leben, es gab gutes Geld und viel zu tun, ausgenommen eine kleine Periode nach der Tonfilmeinführung. Die Studioaufnahmen waren auch lukrativ; der „Betrieb“ nahm Fahrt auf mit der Popularität des Orchesters von Juan D'Arienzo mit seinem tanzbaren Rhythmus und führte in die 40er Jahre, in denen an Samstagen und Sonntagen die Zeitung „El Mundo“ nicht nur spaltenweise, sondern seitenweise mit Annoncen für Tanzgelegenheiten gut gefüllt war. Damals spielte Scorticati bei Carlos Di Sarli, und er erinnert sich, dass der Manager eines Clubs, des Cabarets Tibidabo, Carlos Di Sarli unbedingt für sein Etablissement verpflichten wollte, sein Werben „mit allen Mitteln“ und „koste es, was es wolle“ war am Ende jedoch erfolglos.


Federico Scorticati hatte weitere Projekte bis in die 90er Jahre hinein. Er blieb aktiver Musiker bis an sein Lebensende. Bei einem Interview sagte er einmal, dass er die Bandoneonisten Pedro Maffia und Pedro Laurenz sehr bewundern würde und er habe immer davon geträumt wie Pedro Maffia spielen zu können. Mit dem Orchester von Carlos García war er dreimal in Japan, zuletzt im Jahr 1993 noch. Er hat nach eigenen Angaben um die 30 Titel komponiert, von denen „Alma“, „Cansancio“ und „Tango milonguero“ die bekanntesten geblieben sind.



Hier sieht man die Zeitung "El Mundo" vom 17. April 1943 Buenos Aires und darin zu lesen sind die Annoncen der Veranstalter die ihre Veranstaltungen mit den Live Orchestern bewerben. Die Orchester die man findet, sind die Creme de la Creme aus dieser Zeit:

Rodolfo Biagi, Carlos Di Sarli, Miguel Calo, Juan D´Arienzo, Anibal Troilo, Pedro Laurenz, Ricardo Tanturi, Ángel D´Agostino sowie Lucio Demare.

Dies sind die Orchester auf deren Aufnahmen wir im Unerricht und auf unseren Milongas tanzen.



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